Stromsteuer ist ein heißes Eisen

Die Stromsteuer ist in der Tat ein heißes Eisen in der aktuellen politischen Debatte in Deutschland und stellt eine Zerreißprobe für die neue Regierung dar. Die hohen Strompreise, die Deutschland im internationalen und europäischen Vergleich auf einen der Spitzenplätze katapultieren, sind ein massiver Belastungsfaktor für Haushalte und insbesondere für die energieintensive Industrie.

Die Problematik: Hohe Strompreise in Deutschland

Deutschland hat seit Langem mit sehr hohen Strompreisen zu kämpfen. Aktuellen Zahlen zufolge gehört deutscher Strom für private Haushalte zu den teuersten weltweit und in Europa. Im Schnitt liegt der Preis pro Kilowattstunde (kWh) in Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt.

Die Gründe für diese hohen Preise sind vielfältig und komplex:

  1. Hohe Steuern, Abgaben und Umlagen: Dies ist der mit Abstand größte Preistreiber. Ein erheblicher Teil des Strompreises in Deutschland setzt sich aus staatlichen Abgaben, Umlagen (wie der ehemaligen EEG-Umlage, die zwar abgeschafft ist, deren Kosten aber teilweise über den Bundeshaushalt oder andere Mechanismen umgelegt werden) und Steuern zusammen, allen voran die Stromsteuer. Auch wenn die EEG-Umlage weggefallen ist, bleibt Deutschland bei den Steuern, Abgaben und Umlagen europaweit an der Spitze.

  2. Netzentgelte: Die Kosten für den Ausbau, die Instandhaltung und den Betrieb der Stromnetze sind in Deutschland ebenfalls sehr hoch und steigen teilweise weiter an, da der Netzausbau für die Integration der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden muss. Diese Kosten werden auf die Verbraucher umgelegt.

  3. Energiewende-Kosten: Während die Energiewende langfristig zu günstigerem Strom aus erneuerbaren Quellen führen soll, sind die Übergangskosten (z.B. für den Bau von Anlagen, Netzausbau, Absicherung der Versorgung durch Reservekraftwerke) erheblich und wirken sich auf den Strompreis aus.

  4. Großhandelspreise und Merit-Order-Prinzip: Obwohl der Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Strommix stetig wächst, bestimmt immer noch das Merit-Order-Prinzip den Börsenstrompreis. Das bedeutet, dass das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung der Nachfrage benötigt wird (oft Gaskraftwerke), den Preis für alle anderen Stromerzeuger festlegt. Steigende Gaspreise auf dem Weltmarkt schlagen somit direkt auf den Großhandelsstrompreis durch.

  5. CO2-Preis: Der Europäische Emissionshandel (EU-ETS) verteuert die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen, was zwar gewollt ist, um Anreize für Dekarbonisierung zu schaffen, aber kurzfristig die Strompreise erhöht.

 

Die Stromsteuer als Zerreißprobe

 

Die Stromsteuer in Deutschland liegt bei 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Für private Verbraucher liegt das europäische Mindestmaß bei 0,1 Cent. Die Debatte entzündet sich daran, dass die neue Regierung im Koalitionsvertrag eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucher auf das europäische Mindestmaß vereinbart hatte.

Allerdings hat die Regierung kürzlich beschlossen, die Stromsteuer vorerst nur für das produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft zu senken. Eine Entlastung für private Haushalte, die eine jährliche Einsparung von rund 90 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt mit 4.500 kWh Verbrauch bedeuten würde, bleibt vorerst aus.

Bewertung der Situation:

  • Enttäuschung bei Bürgern und Teilen der Wirtschaft: Das Scheitern der vollständigen Stromsteuersenkung führt zu großer Enttäuschung bei privaten Haushalten, die unter den hohen Preisen leiden, und auch bei Teilen des Mittelstands und Handwerks, die ebenfalls von hohen Stromkosten betroffen sind, aber nicht unter die Definition des "produzierenden Gewerbes" fallen. Dies schadet dem Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischer Versprechen.

  • Priorisierung der Industrie: Die Entscheidung, nur die energieintensive Industrie und Landwirtschaft zu entlasten, zeigt eine klare Priorisierung der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Diese Unternehmen sind aufgrund der hohen Energiekosten akut von Abwanderung und Produktionsverlagerung bedroht, was Arbeitsplatzverluste und einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zur Folge hätte. Die Regierung argumentiert mit Haushaltszwängen und der Notwendigkeit, die Industrie schnell zu entlasten. Ein konkretes Konzept für einen Industriestrompreis soll nun vorgelegt werden.

  • Finanzielle Realität vs. politische Versprechen: Die Debatte verdeutlicht den Spagat, in dem sich die Regierung befindet. Einerseits gibt es den politischen Willen zur Entlastung und zur Stärkung der Wirtschaft, andererseits sind die finanziellen Spielräume durch die Schuldenbremse und andere Ausgabenposten begrenzt. Die vollen Kosten einer Stromsteuersenkung für alle wären erheblich (schätzungsweise 5,4 Milliarden Euro im Jahr 2026).

  • Gefahr für die Akzeptanz der Energiewende: Wenn die Strompreise für private Haushalte dauerhaft hoch bleiben, könnte dies die Akzeptanz für die Energiewende und die damit verbundenen Transformationsprozesse (z.B. Umstieg auf Wärmepumpen, Elektromobilität) beeinträchtigen. Die Bürger müssen spüren, dass die Energiewende für sie auch finanziell vorteilhaft sein kann.

  • Wettbewerbsnachteil für Deutschland: Unabhängig von der Binnenpolitik sind die hohen Strompreise ein struktureller Wettbewerbsnachteil für Deutschland im globalen Vergleich, der nicht nur die energieintensive Industrie, sondern die gesamte Wertschöpfungskette betrifft.

Die Debatte um die Stromsteuer ist mehr als nur eine fiskalpolitische Diskussion; sie ist ein Gradmesser für die Prioritäten der neuen Regierung und ihre Fähigkeit, mit den komplexen Herausforderungen der Energie- und Wirtschaftspolitik umzugehen. Während die Entlastung der Industrie notwendig erscheint, um den Standort Deutschland zu sichern, muss auch eine Perspektive für die Entlastung der privaten Haushalte und des breiten Mittelstands geschaffen werden, um soziale Ungleichgewichte zu vermeiden und die Akzeptanz der Energiewende aufrechtzuerhalten. Die Zerreißprobe ist real, da der Kompromiss zwischen Haushaltsdisziplin, Industrieerhalt und Entlastung der Bürger gefunden werden muss.

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