Klagen einreichen, um besseren Schutz vor den Folgen des Klimawandels zu bekommen
Strategische Klimaklagen tragen dazu bei, die Dringlichkeit des Klimaschutzes zu betonen und rechtliche Präzedenzfälle zu schaffen. Trotz der bestehenden Herausforderungen ist die rechtliche Auseinandersetzung mit dem Klimawandel ein dynamisches Feld mit wachsendem Potenzial.
1. Klagen vor nationalen Gerichten:
- Verletzung von Grundrechten: Kläger argumentieren, dass unzureichende Klimaschutzmaßnahmen ihre Grundrechte verletzen, wie das Recht auf Leben, Gesundheit, Eigentum oder ein menschenwürdiges Dasein.
- Staatliche Schutzpflichten: Es wird argumentiert, dass der Staat eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern hat, sie vor den schädlichen Folgen des Klimawandels zu bewahren.
- Verwaltungsrechtliche Klagen: Gegen Genehmigungen von klimaschädlichen Projekten (z.B. Kohlekraftwerke, Flughafenerweiterungen) können Anwohner oder Umweltverbände klagen.
- Zivilrechtliche Klagen: Einzelpersonen oder Unternehmen können Schadensersatz von Verursachern von Emissionen fordern, wenn sie durch Klimafolgen Schäden erlitten haben (bislang schwierig nachzuweisen).
Beispiele:
- Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat 2021 in einem wegweisenden Urteil die Bundesregierung verpflichtet, ihre Klimaziele für die Zukunft zu verschärfen und die Rechte zukünftiger Generationen auf ein lebenswertes Klima zu stärken.
- In den Niederlanden hat die Urgenda-Stiftung erfolgreich gegen den Staat geklagt und eine ambitioniertere Reduktion der Treibhausgasemissionen erzwungen.
2. Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR):
- Der EGMR in Straßburg befasst sich mit Klagen von Einzelpersonen oder Gruppen, die eine Verletzung ihrer Rechte gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch einen Mitgliedstaat des Europarats geltend machen.
- Klimaklagen vor dem EGMR argumentieren, dass unzureichender Klimaschutz Rechte wie das Recht auf Leben (Artikel 2 EMRK) und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 EMRK) verletzt.
- Historischer Erfolg: Im April 2024 gab der EGMR einer Klimaklage von Schweizer Seniorinnen teilweise Recht und urteilte, dass die Schweiz nicht genügend gegen den Klimawandel unternommen habe und somit Artikel 8 der EMRK verletze. Dieses Urteil hat Signalwirkung für zukünftige Klimaklagen in Europa.
- Andere Klimaklagen gegen mehrere europäische Staaten oder die EU selbst sind oder waren ebenfalls vor dem EGMR anhängig.
3. Klagen vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH):
- Diese Gerichte in Luxemburg sind zuständig für Klagen gegen EU-Institutionen.
- Klimaklagen gegen die EU zielen oft darauf ab, ambitioniertere Klimaziele und -maßnahmen der EU zu erreichen.
- Kläger argumentieren, dass die EU-Gesetzgebung zum Klimaschutz unzureichend ist und ihre Grundrechte verletzt.
- Bislang waren solche Klagen oft mit Zulässigkeitsproblemen behaftet, da die Kläger ihre individuelle Betroffenheit durch die EU-Klimapolitik nachweisen mussten. Es gab jedoch auch Fälle, in denen Klagen zugelassen wurden.
4. Strategische Klimaklagen:
- Diese Klagen werden oft von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Aktivisten initiiert und zielen darauf ab, grundlegende Veränderungen in der Klimapolitik und im Verhalten von Unternehmen zu bewirken.
- Sie nutzen verschiedene rechtliche Wege und Argumentationen, um Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben.
- Ziel ist es oft, Präzedenzfälle zu schaffen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Herausforderungen und Voraussetzungen für erfolgreiche Klimaklagen:
- Nachweis der Kausalität: Es kann schwierig sein, einen direkten Zusammenhang zwischen den Emissionen eines bestimmten Akteurs und konkreten Klimafolgen nachzuweisen.
- Individuelle Betroffenheit: Vor allem bei Klagen gegen Gesetze oder übergeordnete Politik ist oft der Nachweis einer spezifischen und schwerwiegenden Betroffenheit des Klägers erforderlich.
- Komplexe wissenschaftliche und rechtliche Fragen: Klimaklagen erfordern ein tiefes Verständnis komplexer wissenschaftlicher Erkenntnisse und rechtlicher Zusammenhänge.
- Lange Verfahrensdauern: Gerichtliche Verfahren können sich über Jahre hinziehen.