These "Klimaziele durch schwache Wirtschaft"
Die These "Klimaziele durch schwache Wirtschaft"
Diese These leitet sich oft aus Beobachtungen ab, dass in Jahren mit geringerem Wirtschaftswachstum oder gar Rezession (wie z.B. während der Corona-Pandemie oder den jüngsten wirtschaftlichen Dämpfungen) die Emissionen tendenziell stärker sinken. Das liegt daran, dass energieintensive Industrien weniger produzieren, der Verkehr abnimmt und der Gesamtenergieverbrauch sinkt. Wenn die Emissionen in diesen Phasen stark zurückgehen, wird dies manchmal als Beleg dafür interpretiert, dass ein "echter" Strukturwandel zu langsam ist und der Rückgang primär auf eine schrumpfende Wirtschaftsleistung zurückzuführen sei.
Warum diese These kritisch zu betrachten ist:
- Strukturelle Effekte vs. Konjunktureffekte: Es ist entscheidend zu unterscheiden zwischen konjunkturell bedingten Emissionsrückgängen (kurzfristig durch schwache Nachfrage) und strukturellen Emissionsminderungen (langfristig durch den Umbau von Industrien, Energiewende, Effizienzsteigerungen). Während schwache Wirtschaft Phasen kurzfristig Emissionen senken kann, ist das Ziel der Klimapolitik der dauerhafte Rückgang durch Transformation.
- Ergebnisse des Umweltbundesamtes (UBA) und BMWK: Sowohl das UBA als auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) haben in ihren jüngsten Projektionsberichten bestätigt, dass Deutschland die Klimaziele für 2030 (65% Minderung gegenüber 1990) erreichen kann. Dabei wird betont, dass die politischen Maßnahmen der letzten Jahre (Ausbau Erneuerbarer, CO2-Preis, Gebäudeenergiegesetz etc.) maßgeblich zu diesem Trend beitragen. Auch wenn der Rückgang der Emissionen 2023 und 2024 teilweise auch auf eine schwächere Industrieproduktion und eine milde Witterung zurückzuführen war, sehen die Prognosen für 2030 vor, dass die Industrie sich wieder erholt und die Emissionen dennoch weiter sinken, eben aufgrund der Klimaschutzmaßnahmen.
- Sektorspezifische Herausforderungen: Die Prognosen zeigen jedoch auch, dass es in bestimmten Sektoren wie Verkehr und Gebäude weiterhin erhebliche Lücken gibt und die Ziele dort verfehlt werden. Dies ist ein Indiz dafür, dass der "schwache Wirtschaft"-Effekt nicht ausreicht und gezielte Maßnahmen in diesen Sektoren dringend notwendig sind. Im Industriesektor hingegen sind die Emissionen trotz einer Erholung tendenziell auf Kurs.
- Investitionen als Motor: Die Energiewende und der Klimaschutz erfordern massive Investitionen. Diese Investitionen (in erneuerbare Energien, Netze, Elektromobilität, grüne Technologien in der Industrie, Gebäudesanierung) sind aber nicht nur Kostenfaktoren, sondern gleichzeitig Konjunkturprogramme und Innovationsmotoren. Sie schaffen neue Arbeitsplätze ("Green Jobs"), fördern neue Industrien und machen die Wirtschaft langfristig unabhängiger von volatilen fossilen Energiemärkten. Studien, z.B. von Agora Energiewende, zeigen, dass ein großer Teil der notwendigen Investitionen ohnehin für den Erhalt und die Erneuerung der Infrastruktur nötig wäre und lediglich von "grau" auf "grün" umgelenkt werden muss.
Lohnen sich die Anstrengungen und Kosten?
Die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis ist komplex, aber die überwiegende Mehrheit der wissenschaftlichen und ökonometrischen Studien kommt zu dem Schluss, dass Klimaschutz sich nicht nur rechnet, sondern volkswirtschaftlich vorteilhaft ist.
- Vermeidung von Klimafolgeschäden: Die Kosten des Nicht-Handelns wären um ein Vielfaches höher. Extreme Wetterereignisse, Dürren, Überschwemmungen, Ernteausfälle und Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung verursachen bereits heute massive wirtschaftliche Schäden. Diese Schäden würden bei ungebremstem Klimawandel exponentiell steigen. Klimaschutz ist somit eine Versicherung gegen weitaus höhere zukünftige Kosten.
- Technologische Vorreiterschaft: Deutschland kann durch Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur eine führende Rolle in Zukunftsmärkten einnehmen. Der Export von Technologien und Know-how im Bereich erneuerbare Energien, Elektromobilität oder grünem Wasserstoff birgt enorme wirtschaftliche Chancen.
- Neue Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze: Der Umbau der Wirtschaft schafft nicht nur neue Arbeitsplätze in der Installation und Wartung von Anlagen, sondern auch in Forschung und Entwicklung sowie in der Produktion von grünen Gütern und Dienstleistungen.
- Geringere Abhängigkeit und Energiesicherheit: Der Umstieg auf heimische erneuerbare Energien reduziert die Abhängigkeit von internationalen Energieimporten und damit auch von geopolitischen Risiken und Preisschwankungen auf den Weltmärkten. Das erhöht die Energiesicherheit Deutschlands.
- Innovation und Effizienz: Der Klimaschutz treibt Innovationen und Effizienzsteigerungen in allen Sektoren voran, was langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken kann.
Fazit:
Die Behauptung, die Klimaziele seien nur durch eine schwache Wirtschaft erreichbar, greift zu kurz. Während konjunkturelle Effekte kurzfristig Emissionen senken können, basiert die Erreichung der deutschen Klimaziele für 2030 auf einem strategischen Umbau der Wirtschaft und massiven Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur.
Diese Anstrengungen und die damit verbundenen Kosten sind volkswirtschaftlich sinnvoll und notwendig, da sie:
- Klimafolgeschäden mindern,
- neue wirtschaftliche Chancen eröffnen,
- Arbeitsplätze schaffen,
- die Energiesicherheit erhöhen, und
- Deutschland als Innovationsstandort stärken.
Es ist eine Transformation, die kurzfristige Herausforderungen mit sich bringt, aber langfristig zu einer resilienteren, nachhaltigeren und wettbewerbsfähigeren Wirtschaft führt. Die Kernaufgabe besteht nun darin, die Transformation in allen Sektoren, insbesondere im Verkehr und Gebäudebereich, konsequent und mit dem notwendigen Tempo voranzutreiben.