Stromtrassen
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Druck durch die Energiewende und Versorgungssicherheit:
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Notwendigkeit des Netzausbaus: Es wurde zunehmend offensichtlich, dass die großen Gleichstromtrassen wie SuedLink und SuedOstLink unverzichtbar sind, um den im Norden erzeugten Windstrom in den Süden Deutschlands (die industriell starken Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg) zu transportieren. Ohne diese "Stromautobahnen" würde der Umstieg auf erneuerbare Energien scheitern, da der Strom nicht dorthin gelangen könnte, wo er gebraucht wird.
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Atomausstieg: Mit dem endgültigen Atomausstieg in Deutschland (April 2023) ist der Bedarf an importiertem Strom aus dem Norden oder dem europäischen Ausland im Süden Deutschlands noch dringlicher geworden. Bayern hatte lange auf Kernkraft gesetzt und steht nun vor der Herausforderung, seinen Strombedarf anders zu decken.
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Vermeidung von Engpässen und Redispatch-Kosten: Ohne die leistungsfähigen Nord-Süd-Trassen entstehen immer wieder Engpässe im Stromnetz. Das führt zu hohen "Redispatch-Kosten" – Zahlungen an Kraftwerke, die hoch- oder heruntergefahren werden müssen, um das Netz stabil zu halten. Diese Kosten belasten letztlich die Stromverbraucher bundesweit.
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Technologischer Kompromiss: Erdkabel statt Freileitungen:
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Akzeptanzproblem von Freileitungen: Der anfängliche und vehemente Widerstand Bayerns (insbesondere der CSU) richtete sich primär gegen die ursprünglich geplanten oberirdischen Hochspannungstrassen (Freileitungen) mit ihren hohen Strommasten. Diese wurden als "Monstertrassen" empfunden, die das Landschaftsbild massiv beeinträchtigen würden.
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Erdkabel-Vorrang: Der entscheidende Durchbruch gelang 2015 mit dem "Erdkabel-Vorranggesetz". Dieses Gesetz legte fest, dass die neuen großen Gleichstromleitungen (wie SuedLink und SuedOstLink) vorrangig als Erdkabel gebaut werden müssen. Obwohl Erdkabel deutlich teurer und technisch aufwendiger sind, erhöhte dies die Akzeptanz in der Bevölkerung und der bayerischen Politik erheblich. Es war ein politischer Kompromiss, der dem visuellen Einfluss auf die Landschaft Rechnung trug.
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Gesetzlicher und politischer Druck:
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Bundesbedarfsplangesetz: Die Notwendigkeit dieser Leitungen wurde im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) festgeschrieben, das die Vorhaben als überregional bedeutsam und energiewirtschaftlich notwendig einstufte. Damit hatten die Projekte eine gesetzliche Grundlage, die nicht einfach ignoriert werden konnte.
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Verzögerungsdruck: Die jahrelangen Blockaden führten zu erheblichen Verzögerungen beim Netzausbau, was wiederum die Ziele der Energiewende gefährdete und die Kosten in die Höhe trieb. Der Druck aus Bund und anderen Bundesländern wuchs, eine Lösung zu finden.
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Einbindung in Planungsverfahren: Bayern wurde (wenn auch nach anfänglichem Widerstand) in die Planungs- und Genehmigungsverfahren eingebunden, was eine gewisse Form der Mitsprache und Einflussnahme ermöglichte, auch wenn die Grundsatzentscheidung für die Trassen gefallen war.
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Realpolitik und pragmatische Notwendigkeit:
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Letztlich musste sich die bayerische Landesregierung der energiewirtschaftlichen Realität stellen. Ohne Windstrom aus dem Norden und zukünftig auch aus der Nordsee kann Bayern seine ambitionierten Klimaziele und seinen hohen industriellen Strombedarf nicht decken. Die Erkenntnis, dass eine vollständige dezentrale Energieversorgung Bayerns allein nicht ausreichen wird, setzte sich durch.
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Die bayerische Politik hat erkannt, dass eine Verweigerungshaltung letztendlich der eigenen Wirtschaft und Bevölkerung schaden würde. Ministerpräsident Markus Söder betonte zuletzt selbst die Notwendigkeit des Netzausbaus für Bayerns Industrie.
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Zusammenfassend war das Einlenken Bayerns eine Mischung aus politischem Kompromiss (Erdkabel statt Freileitungen), dem immensen Druck der Energiewende zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit und der Einsicht in die systemische Notwendigkeit dieser zentralen Stromleitungen für die Zukunft der deutschen Energieversorgung. Der aktuelle Baustart für SuedLink in Bayern ist ein sichtbares Zeichen für den Erfolg dieses Prozesses.