Preise für CO2-Emissionszertifikate im Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS)
1. Verschärfung der Klimaziele und Verknappung der Zertifikate ("Fit for 55"-Paket):
- Höhere Reduktionsziele: Die EU hat ihre Klimaziele für 2030 (Reduktion der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % gegenüber 1990) deutlich verschärft. Dies hat direkte Auswirkungen auf das EU-ETS.
- Linearer Reduktionsfaktor (LRF): Die Menge der jährlich verfügbaren Emissionszertifikate (das sogenannte "Cap") wird jedes Jahr linear reduziert. Dieser lineare Reduktionsfaktor wurde im Rahmen des "Fit for 55"-Pakets erhöht, was zu einer schnelleren und stärkeren Verknappung der Zertifikate führt. Ab 2024 wurde der LRF von 2,2 % auf 4,3 % erhöht und steigt ab 2028 weiter auf 4,4 %.
- Einmalige Kürzungen des Caps: Zusätzlich zur jährlichen Reduktion werden zu zwei Zeitpunkten (2024 und 2026) einmalige Kürzungen des Caps durchgeführt, um das Angebot an Zertifikaten weiter zu verknappen.
2. Reform der Marktstabilitätsreserve (MSR):
- Die Marktstabilitätsreserve (MSR) wurde eingeführt, um Überschüsse an Emissionszertifikaten im Markt abzubauen und das System stabil zu halten.
- Verschärfung der MSR-Regeln: Die Regeln der MSR wurden reformiert, um effektiver auf Überschüsse zu reagieren. Die Rate, mit der Zertifikate aus dem Markt genommen und in die Reserve verschoben werden, wurde erhöht, und es gibt eine Regelung, dass Zertifikate in der MSR ab einer bestimmten Menge dauerhaft gelöscht werden. Dies reduziert das Gesamtangebot an Zertifikaten langfristig.
3. Ausweitung des Emissionshandels (EU-ETS II):
- Einbeziehung neuer Sektoren: Ab 2027 wird ein neues, separates Emissionshandelssystem (ETS II) für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr eingeführt.
- Eigene Versteigerung: Im ETS II werden die Zertifikate von Beginn an versteigert (es gibt keine Festpreisphase wie im nationalen Emissionshandel in Deutschland), was bedeutet, dass der Preis sich direkt nach Angebot und Nachfrage richtet.
- Preisanreize: Auch wenn es im ETS II in den ersten Jahren Mechanismen zur Preisstabilität geben wird (z.B. eine Freigabe zusätzlicher Zertifikate, wenn der Preis 45 Euro/Tonne übersteigt), wird der Trend zu steigenden Preisen erwartet, um die notwendigen Investitionen in Dekarbonisierung anzustoßen.
4. Abbau kostenloser Zuteilungen für die Industrie:
- Bestimmte energieintensive Industrien (z.B. Stahl, Zement, Chemie) erhalten im EU-ETS I bisher kostenlose Zertifikate, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und das Risiko der Carbon Leakage (Abwanderung von Unternehmen) zu mindern.
- Schrittweiser Abbau: Diese kostenlosen Zuteilungen werden ab 2026 schrittweise abgeschafft und bis 2034 vollständig eingestellt. Dies erhöht den Kaufbedarf der Unternehmen und damit die Nachfrage nach Zertifikaten im Markt, was den Preis treiben dürfte.
- CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM): Der CBAM wird diesen Abbau begleiten, indem er einen CO2-Preis auf Importe aus Ländern erhebt, die keine vergleichbaren Klimaschutzstandards haben. Dies soll Carbon Leakage verhindern und Wettbewerbsgleichheit herstellen.
5. Zunehmender Bedarf zur Dekarbonisierung:
- Unternehmen müssen in Klimaschutzmaßnahmen investieren, um ihre Emissionen zu senken. Je höher der CO2-Preis, desto größer der Anreiz, solche Investitionen zu tätigen (z.B. Umstellung auf erneuerbare Energien, Prozessoptimierung, Wasserstoffnutzung).
- Wenn die Reduktionsziele erreicht werden sollen, müssen Emissionen signifikant sinken. Dies wird den Preis für die verbleibenden Verschmutzungsrechte in die Höhe treiben.
Aktuelle Beobachtung und Ausblick:
Während der Preis für EU-ETS-Zertifikate im Jahr 2023 einen Rückgang von über 100 Euro/Tonne auf zeitweise unter 60 Euro/Tonne erlebte (bedingt durch Faktoren wie eine schwächere Industriekonjunktur, hohe Gasspeicherstände und eine erhöhte Verfügbarkeit von Zertifikaten im Vorfeld der Reform), hat er sich 2024 wieder erholt und liegt aktuell in einer gewissen Spanne.
Die Erwartung deutlicher Preissteigerungen ist jedoch langfristig fundiert und basiert auf den strukturellen Änderungen des EU-ETS-Systems, die darauf abzielen, die Menge der verfügbaren Zertifikate konsequent zu verknappen, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Prognosen sehen den Preis für EU-ETS-Zertifikate bis 2030 oft im Bereich von 100 bis 250 Euro/Tonne, wobei einige Studien auch höhere Werte für Grenzvermeidungskosten in bestimmten Sektoren nahelegen. Für den nationalen Emissionshandel (nEHS) in Deutschland, der ab 2027 in den EU-ETS II übergehen soll, sind ebenfalls schrittweise Preisanstiege geplant (z.B. 55 Euro/Tonne ab 2025).