Klimaneutral werden durch
CO2-Kompensation?

Das Prinzip: Treibhausgase verteilen sich in der Atmosphäre und verbleiben nicht am Ort ihrer Entstehung. Ausschließlich die Menge entscheidet darüber, welche Schäden verursacht werden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, unvermeidliche Treibhausgasemissionen, die an einem Ort entstehen, durch Klimaschutzmaßnahmen an einem anderen Ort zu neutralisieren. Die Investition findet über den Ankauf von CO2-Zertifikaten statt. Jedes Zertifikat entspricht einer Tonne klimaschädlicher Emissionen, die in einer Region nicht(!) entstehen, weil dort ein Klimaschutzprojekt stattfindet.

Weltweite Kompensation dank des Kyoto-Protokolls

Die Kompensationsmaßnahmen zum Schutz des globalen Klimas haben ihren länderübergreifenden Rahmen mit der Umsetzung des Kyoto-Protokolls erhalten. Für Projekte, die dezidiert das Ziel der CO2-Kompensation verfolgen, kommen dabei zwei Mechanismen zur Anwendung: Für Länder mit eigener Kyoto-Verpflichtung gelten die Regeln der Joint Implementation (JI, Englisch für gemeinsame Umsetzung), für Kompensationsprojekte in Ländern ohne Kyoto-Verpflichtung der Clean Development Mechanism (CDM, Englisch für Steuerungsinstrument zur umweltgerechten Entwicklung). In beiden Fällen führt ein Investor in einem Gastland ein Projekt durch, das dort Emissionen mindern soll, etwa zur Einführung von Solarkochern in Eritrea, und erhält dafür handelbare Emissionsgutschriften (CO2-Zertifikate). Kauft ein Unternehmen diese Zertifikate unter der Voraussetzung, dass sie dauerhaft vom Markt genommen werden, kann es damit eine entsprechende Menge CO2-Emissionen kompensieren, die von dem Unternehmen selbst oder seinen Kunden im Zusammenhang mit seinen Produkten verursacht werden.

CO2-Emissionen kompensieren – für Privatpersonen?

Wir verursachen täglich neue Treibhausgasemissionen und tragen mit unserem Lebenswandel zur menschengemachten Klimakrise bei. Die höchsten Emissionen, für die wir als Privatpersonen verantwortlich sind, entstehen durch unseren hohen Stromverbrauch, ineffizientes Heizen, hohen Fleischkonsum und die zahlreichen Flugreisen. Mittlerweile gibt es immer mehr Angebote, die negativen Folgen abzumildern – und mit der Kompensation der entstandenen Emissionen Schadensbegrenzung zu leisten, etwa durch freiwillige Zahlungen, die Flugreisende für jeden geflogenen Kilometer an bestimmte Anbieter zahlen. Der Anbieter leitet die Zahlungen an Klimaschutzprojekte weiter, die beispielsweise für die Errichtung von mit Zuckerrohrabfällen betriebenen Bio-Gasanlagen in Indien sorgen. Damit kann jeder zumindest einen Teil der klimaschädlichen Wirkungen des eigenen Urlaubs wieder ausgleichen.

Ein gutes Gewissen zahlt sich aus

Unternehmen nehmen die CO2-Kompensation zunehmend für Werbezwecke in den Blick. Der Einzelhandel etwa hat die Vorzüge der CO2-Kompensation als Marketing-Instrument zur Verbesserung des eigenen Images und zur Kundenansprache entdeckt. Im Unterschied zum Reisemarkt werden den Kunden dabei keine freiwilligen Mehrzahlungen abverlangt, vielmehr übernehmen dies die Unternehmen und „schenken“ den Kunden die Kompensation – und suchen sich mit dem zusätzlichen Mehrwerts ihres Produktes oder ihrer Dienstleistung einen Vorteil bei den Kunden zu sichern. So liefert die zur Post AG gehörende DHL ihre Pakete „klimaneutral“ aus und auch Tageszeitungen werben bereits mit ihrer „Klimaneutralität“. Angesichts der Intensivierung der öffentlichen Klimaschutzdiskussion ist davon auszugehen, dass sich das Angebot an „klimaneutralen“ Produkten und Dienstleistung in absehbarer Zeit noch erheblich ausweiten wird.

Ein moderner Ablasshandel?

Kompensationsmaßnahmen werden häufig als eine moderne Form des Ablasshandels kritisiert, da es vor allem darum gehe, sich als Verursacher von Klimagasemissionen ein gutes Gewissen zu erkaufen, ohne schädliches Verhalten ändern zu müssen. Es gibt aber auch Stimmen, die Kompensationsmöglichkeiten als Einstieg ansehen, die Klimaschädlichkeit bestimmter Aktivitäten erst ins Bewusstsein zu rufen. Die Diskussion über Kompensationszahlungen fördere sowohl in Unternehmen als auch in privaten Haushalten die Haltung, für das eigene (Konsum-)Verhalten die Verantwortung zu übernehmen. Außerdem erhalte die Ressource Klima so einen Marktpreis und die naive Vorstellung, das Klima stehe allen zur Verfügung, ohne dass wir dafür bezahlen müssten, verliere damit an Boden.

Doch auch an der Funktionsweise des Kompensationsmechanismus selbst gibt es Kritik. Zunächst wird von wissenschaftlicher Seite oftmals darauf verwiesen, dass Kompensationsgeschäfte einen Anstieg der CO2-Emission nur mildern können, die für eine entscheidende Verlangsamung des Klimawandels notwendige Absenkung der weltweiten Emissionsmenge werde mit diesem Instrument nicht gelingen. Außerdem sei die Berechnung der Kompensationsmengen schwierig bis fehlerhaft: Die Menge an CO2, die bei bestimmten Prozessen oder Aktivitäten freigesetzt werde, sei häufig zu niedrig angesetzt, die Reduktion von CO2-Enmissionen durch Kompensationsprojekte dagegen zu hoch. Es gebe zu wenig Kontrollmechanismen und es sei teilweise zweifelhaft, ob etwa Waldprojekte CO2-Emissionen der Energiewirtschaft kompensieren könnten, da Aufforstungen mittelfristig fehlschlagen könnten und das eingebundene CO2 dann doch noch in der Atmosphäre landen würde.

Ein Goldstandard für CO2-Emissionsschutzprojekte

Weltweit werden inzwischen rund 2.000 Kompensationsprojekte vorangetrieben, vom Ausbau erneuerbarer Energien über die Anwendung von Energiespartechnik und die Verringerung industrieller Treibhausgasemissionen bis hin zur Aufforstung und Waldregeneration, um CO2 zu binden. Anerkannte Mechanismen oder Qualitätskriterien fehlen aber oftmals. Umweltverbände haben nun unter Federführung des WWF einen so genannten Goldstandard entwickelt, einen ökologisch und sozial besonders anspruchsvollen Kriterienkatalog für die Anerkennung von Kompensationsprojekten. Und eine wachsende Zahl von Non-Profit-Organisationen wie auch von kommerziell arbeitenden Agenturen hat die CO2-Kompensation inzwischen als neues Geschäftsfeld entdeckt; sie sorgen für niedrigschwellige Angebote zum Kauf von Emissionszertifikaten sowie für deren Stilllegung. Um global deutlich unter zwei Grad Celsius zu bleiben, darin ist sich die Wissenschaft einig, ist ein Zusammenspiel aller möglichen Maßnahmen notwendig, klimaschädliche Emissionen auszugleichen, ist dabei in jedem Fall ein erster Schritt.

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