Geothermie in der Wärmewende
Tiefe Geothermie: Eine Schlüsseltechnologie für die Wärmewende in Deutschland?
Die Notwendigkeit, den deutschen Wärmesektor zu dekarbonisieren, ist von entscheidender Bedeutung, um die nationalen Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Deutschland hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen 1. Der Wärmesektor, der derzeit noch stark auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas angewiesen ist 3, stellt hierbei eine wesentliche Herausforderung dar. Die tiefe Geothermie, die Wärme aus Tiefen von mehr als 400 Metern unter der Erdoberfläche nutzt 4, rückt zunehmend in den Fokus als eine vielversprechende erneuerbare Energiequelle für eine nachhaltige und sichere Wärmeversorgung. Obwohl das technologische Know-how vorhanden ist und Deutschland über signifikantes geothermisches Potenzial verfügt 6, ist der derzeitige Beitrag der tiefen Geothermie zum deutschen Energiemix noch relativ gering 15. Dies deutet darauf hin, dass bestehende Hemmnisse überwunden werden müssen, um das volle Potenzial dieser Technologie für die Wärmewende zu erschließen. Dieser Bericht zielt darauf ab, eine umfassende Analyse des Potenzials, der Vorteile, der Herausforderungen und der zukünftigen Rolle der tiefen Geothermie für die Wärmewende in Deutschland zu liefern.
Derzeit befindet sich der deutsche Sektor der tiefen Geothermie in einer Phase des Wachstums und der zunehmenden Aktivität. Jüngste Nachrichten und Entwicklungen deuten auf ein wachsendes Interesse und steigende Investitionen in diese Technologie hin. So bereitet beispielsweise AFK-Geothermie eine zweite Bohrung im Osten Münchens vor, um künftig noch mehr Kunden versorgen zu können 16. Auch bei Geopfalz gab es einen Führungswechsel, was auf eine Weiterentwicklung der dortigen Projekte hindeutet 16. In verschiedenen Regionen Deutschlands werden Explorationsarbeiten durchgeführt, wie beispielsweise die Tiefbohrung des Geologischen Dienstes NRW in Krefeld und die Erkundungsarbeiten für das Projekt "Ostvogtland Wärme" 16. Dies zeigt eine landesweite Zunahme der Aktivitäten im Bereich der tiefen Geothermie. Der Bundesverband Geothermie (BVG) verzeichnet derzeit über 150 geplante tiefe Geothermieprojekte in Deutschland 17, was eine erhebliche zukünftige Pipeline für den Ausbau dieser Technologie darstellt. Allerdings ist die tatsächliche Umsetzung dieser Projekte von der Bewältigung technischer, finanzieller und regulatorischer Herausforderungen abhängig. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind in Deutschland etwa 42 tiefe Geothermieanlagen in Betrieb und rund 16 weitere Projekte befinden sich im Bau 18. Die relativ geringe Anzahl der betriebenen Anlagen im Vergleich zu den geplanten Projekten verdeutlicht, dass sich der Sektor der tiefen Geothermie in Deutschland noch in einer Phase des Ausbaus befindet und ein beträchtliches Wachstumspotenzial besteht.Im Jahr 2023 lieferte die tiefe Geothermie in Deutschland etwa 1,6 Terawattstunden (TWh) Wärme 15. Angesichts des gesamten jährlichen Wärmebedarfs in Deutschland von rund 1200 TWh 14 entspricht dies einem sehr geringen Anteil von weniger als 0,2%. Diese Zahl verdeutlicht das erhebliche ungenutzte Potenzial der tiefen Geothermie für die Wärmewende in Deutschland. Obwohl die derzeitige Wärmelieferung aus tiefen Geothermiequellen noch bescheiden ist, demonstriert sie die technische Machbarkeit der Technologie. Die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Beitrag und dem geschätzten Potenzial von bis zu 25% des gesamten Wärmebedarfs 13 unterstreicht die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für den Ausbau der tiefen Geothermie deutlich zu verbessern.
Die tiefe Geothermie bietet vielseitige Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Wärmeversorgung in Deutschland. Sie kann zur Beheizung von Wohn- und Gewerbegebäuden genutzt werden, sowohl durch direkte Wärmelieferung als auch durch die Integration in Gebäudeenergiesysteme 3. So wird beispielsweise in München und Schwerin bereits Fernwärme aus tiefen Geothermiequellen bereitgestellt 3. Darüber hinaus besitzt die tiefe Geothermie das Potenzial, Prozesswärme für industrielle Anwendungen zu liefern 13. Viele industrielle Prozesse benötigen hohe Temperaturen, die durch tiefe Geothermie potenziell nachhaltig bereitgestellt werden könnten, wodurch die Abhängigkeit des Industriesektors von fossilen Brennstoffen reduziert würde. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist die Integration der tiefen Geothermie in Fernwärmenetze 2. Städte wie Hannover, Stuttgart, München und Rostock entwickeln Wärmepläne, die die Nutzung von Geothermie vorsehen 4. Die Fernwärme stellt einen effizienten Weg dar, um eine große Anzahl von Verbrauchern in städtischen Gebieten mit erneuerbarer Wärme zu versorgen. In Regionen mit ausreichend hohen geothermischen Temperaturen (in der Regel über 150°C) besteht zudem die Möglichkeit der kombinierten Wärme- und Stromerzeugung (KWK) 5. Das Geothermiekraftwerk in Sauerlach ist ein Beispiel für eine solche Anlage, die sowohl Wärme als auch Strom erzeugt 8. Die KWK kann die Gesamteffizienz von Geothermieprojekten erhöhen und zur Dekarbonisierung beider Energiesektoren beitragen.
Die Nutzung der tiefen Geothermie bietet erhebliche Vorteile für die Wärmewende in Deutschland. Ein wesentlicher Vorteil sind die Umweltaspekte: Die tiefe Geothermie ist eine erneuerbare Energiequelle mit minimalen Treibhausgasemissionen im Betrieb 2. Im Vergleich zur Verbrennung fossiler Brennstoffe für Heizung und Stromerzeugung trägt sie somit deutlich zur Reduzierung von Luftverschmutzung und zur Erreichung der Klimaziele bei. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit von Wetterbedingungen 2. Die tiefe Geothermie kann als Grundlastenergiequelle kontinuierlich Wärme und potenziell Strom liefern, unabhängig von Tageszeit oder Wetterlage. Dies stellt einen wichtigen Vorteil gegenüber intermittierenden erneuerbaren Energien wie Solar- und Windkraft dar und gewährleistet eine stabile Energieversorgung. Zudem stärkt die Nutzung heimischer geothermischer Ressourcen die Energieunabhängigkeit Deutschlands und reduziert die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen 2. Dies erhöht die Energiesicherheit des Landes und schützt vor Preisschwankungen auf den globalen Energiemärkten. Darüber hinaus birgt die Entwicklung und der Betrieb von tiefen Geothermieprojekten das Potenzial für regionale Wertschöpfung und die Schaffung neuer, qualifizierter Arbeitsplätze in verschiedenen Bereichen wie Exploration, Bohrung, Anlagenbau und Betrieb 2. Dies kann zur Stärkung der lokalen Wirtschaft und zur Förderung von Wohlstand in den betroffenen Regionen beitragen.
Trotz der vielversprechenden Vorteile bestehen auch erhebliche Herausforderungen und Nachteile bei der Implementierung der tiefen Geothermie in Deutschland. Ein wesentlicher Faktor sind die hohen Anfangsinvestitionskosten 3. Insbesondere die Tiefbohrungen, die mehrere Millionen Euro pro Bohrloch kosten können 3, und der Bau der spezialisierten Kraftwerke erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Diese hohen Investitionskosten können ein erhebliches Hindernis für eine breite Akzeptanz darstellen, insbesondere für kleinere Unternehmen und Kommunen. Des Weiteren bestehen geologische Risiken 3. Die Exploration des Untergrunds birgt Unsicherheiten hinsichtlich des Vorhandenseins, der Temperatur und der Förderrate der geothermischen Ressourcen. Es besteht das Risiko, dass Bohrungen nicht erfolgreich sind oder die erwarteten Ressourcen nicht liefern. Zudem ist das Potenzial für induzierte Seismizität, also durch menschliche Aktivität ausgelöste Erdbeben, ein bekanntes, wenn auch in der Regel geringes Risiko, das in der Öffentlichkeit Besorgnis auslösen kann 3. Beispiele wie die Vorfälle in Staufen und Landau haben diese Risiken verdeutlicht 3. Auch Umweltrisiken müssen berücksichtigt werden 15. Der Wasserverbrauch für Bohrungen und den Anlagenbetrieb, die Handhabung und Entsorgung von geothermischen Fluiden, die gelöste Mineralien und Gase enthalten können, sowie die Flächennutzung für die Anlageninfrastruktur sind Aspekte, die sorgfältig gemanagt werden müssen, um negative Umweltauswirkungen zu minimieren. Schließlich stellen die soziale Akzeptanz und die oft langwierigen und komplexen Genehmigungsverfahren weitere Herausforderungen dar 21. Bedenken in der Bevölkerung, insbesondere im Hinblick auf induzierte Seismizität, sowie bürokratische Hürden bei der Genehmigung von Projekten können die Entwicklung der tiefen Geothermie verlangsamen.
Im Vergleich zu anderen Heiztechnologien bietet die tiefe Geothermie spezifische Vor- und Nachteile. Wärmepumpen sind insbesondere für die Beheizung einzelner Gebäude eine effiziente und oft kostengünstigere Lösung mit geringeren Anfangsinvestitionen für Einfamilienhäuser 4. Allerdings ist ihre Skalierbarkeit für die großflächige Wärmeversorgung, beispielsweise in Fernwärmenetzen, im Vergleich zur Kapazität von tiefen Geothermieanlagen begrenzt. Fernwärmenetze existieren bereits in vielen deutschen Städten 4 und bieten eine gute Infrastruktur für die Verteilung von Wärme. Die tiefe Geothermie hat das Potenzial, eine wichtige erneuerbare Quelle für diese Netze zu werden 2, obwohl Herausforderungen bei der Temperaturkompatibilität bestehen können. Die oberflächennahe Geothermie (bis 400 Meter Tiefe) eignet sich gut für die Beheizung und Kühlung einzelner Gebäude mittels Wärmepumpen 4, erreicht jedoch nicht die höheren Temperaturen und Kapazitäten der tiefen Geothermie, die für größere Anwendungen wie Fernwärme oder industrielle Prozesse erforderlich sind. Andere erneuerbare Heizoptionen wie Solarthermie und Biomasse 10 spielen ebenfalls eine Rolle in der deutschen Wärmewende. Die tiefe Geothermie zeichnet sich jedoch durch ihre Grundlastfähigkeit und Wetterunabhängigkeit aus 2, was sie zu einer wertvollen Ergänzung in einem diversifizierten Mix erneuerbarer Heiztechnologien macht.
Die Forschungs- und Entwicklungslandschaft für tiefe Geothermie in Deutschland ist aktiv und trägt maßgeblich zur Weiterentwicklung der Technologie bei. Renommierte deutsche Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IEG 2 und das GFZ Potsdam 32 engagieren sich intensiv in der Erforschung und Entwicklung neuer Technologien im Bereich der tiefen Geothermie. Ihre Arbeit konzentriert sich auf verbesserte Explorationsmethoden, effizientere Bohrverfahren, optimiertes Reservoirmanagement und Strategien zur Risikominimierung. Zahlreiche Studien und Berichte belegen das signifikante Potenzial der tiefen Geothermie für die Wärmeversorgung in Deutschland und schätzen, dass sie einen erheblichen Teil des gesamten Wärmebedarfs decken könnte 2. Laufende technologische Fortschritte und Innovationen in den Bereichen Bohrtechnik (einschließlich Enhanced Geothermal Systems - EGS und geschlossener Kreislaufsysteme), Reservoirmanagement und Stromerzeugung (z.B. mittels Organic Rankine Cycle - ORC Technologie) tragen kontinuierlich zur Verbesserung der Effizienz, Anwendbarkeit und Wirtschaftlichkeit der tiefen Geothermie bei 1.
Die Entwicklung der tiefen Geothermie in Deutschland wird durch verschiedene staatliche Förderprogramme und Initiativen auf nationaler und europäischer Ebene unterstützt. Nationale Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) 4 und EU-weite Initiativen wie der Europäische Innovationsfonds 1 und Horizon Europe 31 bieten finanzielle Unterstützung für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, einschließlich der tiefen Geothermie. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat zudem spezifische Förderrichtlinien für die geothermische Forschung herausgegeben 34. Obwohl diese Förderprogramme existieren, wird argumentiert, dass der Umfang und die Zugänglichkeit der Fördermittel möglicherweise erhöht werden müssten, um die Entwicklung kapitalintensiver Projekte im Bereich der tiefen Geothermie ausreichend zu incentivieren und die ambitionierten Ziele der deutschen Wärmewende zu erreichen. Die politischen Rahmenbedingungen und die regulatorische Landschaft, einschließlich der Genehmigungsverfahren und der Gesetzgebung im Bereich der Wärmeplanung, spielen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der tiefen Geothermie in Deutschland 3. Die Genehmigungsverfahren können komplex und zeitaufwendig sein 3, und das geplante Geothermiebeschleunigungsgesetz erfuhr Verzögerungen 17. Neue Gesetze zur Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen sind jedoch in Kraft getreten 4. Experten und Interessengruppen fordern eine umfassendere nationale Strategie für die tiefe Geothermie, einschließlich ehrgeizigerer Ausbauziele und verstärkter finanzieller Anreize 2. Zudem werden Risikominimierungsmaßnahmen wie staatliche Versicherungen für Explorationsrisiken vorgeschlagen 3.
Deutschland verfügt über mehrere erfolgreiche tiefe Geothermieprojekte, die die technische und wirtschaftliche Machbarkeit dieser Technologie in verschiedenen geologischen Kontexten demonstrieren. Beispiele hierfür sind die Anlagen in München (Wärme), Schwerin (Wärme), Landau (Strom und Wärme), Bruchsal (Strom und Wärme), Insheim (Strom und Wärme) und Erding (Wärme) 1. Diese Projekte zeigen, dass tiefe Geothermie in unterschiedlichen geologischen Formationen zur Wärme- und Stromerzeugung genutzt werden kann. Ein Blick auf internationale Best Practices in Ländern mit weiter entwickelten Geothermiesektoren wie Island, den Niederlanden und Österreich 4 kann wertvolle Erkenntnisse über effektive Politikansätze, technologische Strategien und Risikomanagement liefern, die auch in Deutschland angewendet werden könnten. Der Erfolg dieser Projekte beruht oft auf einer Kombination günstiger geologischer Bedingungen 3), starker Unterstützung und Zusammenarbeit von lokalen Gemeinschaften und Behörden 16 sowie der Implementierung effektiver Strategien zur Minderung geologischer und finanzieller Risiken 3.
Schlussfolgerung und Empfehlungen:
Die tiefe Geothermie birgt ein erhebliches Potenzial für die Wärmewende in Deutschland. Ihre Fähigkeit, kontinuierlich und wetterunabhängig Wärme und potenziell auch Strom zu liefern, macht sie zu einem wertvollen Baustein für eine nachhaltige und sichere Energieversorgung. Trotz bestehender Herausforderungen wie hoher Anfangsinvestitionen und geologischer Risiken zeigen erfolgreiche Projekte in Deutschland und anderen Ländern, dass die tiefe Geothermie eine technisch und wirtschaftlich viable Option darstellt. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen und die Wärmewende in Deutschland voranzutreiben, sind folgende Empfehlungen zu formulieren:
Für die Politik:
- Entwicklung einer umfassenden nationalen Strategie für die tiefe Geothermie mit klaren Ausbauzielen und Zeitplänen 15.
- Deutliche Erhöhung und Vereinfachung der Zugänglichkeit von Förderprogrammen für Exploration, Bohrung und Anlagenbau 3.
- Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren unter Beachtung strenger Umweltstandards 3.
- Implementierung von Risikominimierungsmaßnahmen, beispielsweise durch einen staatlichen Versicherungsfonds für Explorationsrisiken 3.
- Stärkung der Forschung und Entwicklung, um technologische Innovationen voranzutreiben und Kosten zu senken 1.
- Förderung der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz von tiefen Geothermieprojekten durch transparente Kommunikation und Bürgerbeteiligung 2.
Für die Industrie:
- Erhöhung der Investitionen in tiefe Geothermieprojekte unter Nutzung verfügbarer Förderprogramme.
- Förderung von Innovationen in Bohrtechnologien und Reservoirmanagement zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung.
- Entwicklung und Implementierung von Best Practices für Umweltschutz und Risikominimierung.
- Proaktive Einbindung lokaler Gemeinschaften, um Vertrauen aufzubauen und Bedenken zu adressieren.
Für Forschungseinrichtungen:
- Fortsetzung und Intensivierung der Forschung zur besseren Charakterisierung des deutschen geothermischen Potenzials.
- Entwicklung fortschrittlicher Überwachungstechniken für induzierte Seismizität und andere Umweltauswirkungen.
- Erforschung des Potenzials von Enhanced Geothermal Systems (EGS) und anderer innovativer Technologien für den deutschen Kontext.
- Aktiver Austausch von Forschungsergebnissen und Best Practices mit Industrie und Politik.