Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen für Ackerbau und Solarstromproduktion

Äpfel unter Solarmodulen: Eine Win-Win-Situation

Das Konzept, Solarmodule über Obstanlagen zu installieren, ist besonders attraktiv. Ein bekanntes Beispiel ist das Forschungsprojekt auf dem Bio-Obsthof Nachtwey in Gelsdorf (Rheinland-Pfalz) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ISE und weiteren Partnern. Auch am Bodensee gibt es Modellprojekte, die zeigen, wie gut das funktionieren kann.

Die Vorteile dieser Symbiose sind vielfältig:

  1. Doppelte Flächennutzung: Die wichtigste Eigenschaft ist die effiziente Raumnutzung. Statt wertvolle Agrarflächen entweder nur für Lebensmittelproduktion oder nur für Energieerzeugung zu nutzen, ermöglicht Agri-PV beides gleichzeitig. Das entschärft die oft diskutierte Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Energiewende.

  2. Schutz der Kulturen: Die Solarmodule bieten den Apfelbäumen (und anderen Obst- oder Gemüsesorten) Schutz vor Extremwetterereignissen, die durch den Klimawandel zunehmen:

    • Hagel: Die Module wirken als physische Barriere und schützen die empfindlichen Früchte vor Hagelschäden. Das kann den Einsatz von Hagelschutznetzen reduzieren oder sogar überflüssig machen.

    • Starkregen: Überschüssiger Regen wird von den Modulen abgeleitet, was Bodenerosion und Staunässe verhindern kann.

    • Sonneneinstrahlung/Hitze: Die Verschattung durch die Module kann die Pflanzen vor zu intensiver Sonnenstrahlung und Hitzestress schützen. Dies kann zu einer gleichmäßigeren Reifung und potenziell besseren Fruchtqualität führen. Bei einigen Kulturen kann dies sogar den Bewässerungsbedarf reduzieren.

  3. Zusätzliche Einnahmequelle für Landwirte: Die Stromproduktion bietet den landwirtschaftlichen Betrieben eine attraktive und stabile Einnahmequelle durch den Verkauf des Solarstroms. Das kann das oft schwankende Einkommen aus der Landwirtschaft diversifizieren und absichern.

  4. Eigenverbrauch und Autarkie: Der erzeugte Strom kann direkt auf dem Hof genutzt werden, zum Beispiel für Kühlungslager, Bewässerungssysteme oder den Betrieb elektrischer Maschinen (z.B. Traktoren). Dies senkt die Betriebskosten und erhöht die Energieautarkie des Hofes.

  5. Reduzierter Pflanzenschutzmitteleinsatz: Erste Studien zeigen, dass der Schutz vor Regen und direkter Sonneneinstrahlung unter Agri-PV-Modulen den Befall mit Pilzkrankheiten reduzieren und somit den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringern kann.

 

Wo nimmt der Ausbau Fahrt auf?

 

Die Agri-Photovoltaik steht in Deutschland noch am Anfang, aber das Interesse und die Entwicklung nehmen stark Fahrt auf:

  • Forschung und Pilotprojekte: Deutschland ist führend in der Forschung und Entwicklung von Agri-PV, mit zahlreichen Pilotprojekten quer durch verschiedene Kulturen (Obst, Beeren, Ackerbau) und Anlagentypen (hoch aufgeständert, vertikal, dynamisch). Die Ergebnisse dieser Projekte sind entscheidend für die Weiterentwicklung und Standardisierung.

  • Gesetzliche Rahmenbedingungen: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde angepasst, um Agri-PV als "besondere Solaranlage" zu berücksichtigen. Seit 2023 gibt es die Möglichkeit einer Einspeisevergütung, und ab 2024 erhalten Agri-PV-Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen sogar einen höheren anzulegenden Wert (aktuell 2,5 Cent/kWh mehr im Vergleich zu herkömmlichen Freiflächenanlagen). Dies macht Agri-PV wirtschaftlich attraktiver.

  • Beseitigung von Restriktionen: Ursprünglich waren Obstanbauflächen für Agri-PV ausgeschlossen. Diese Restriktion wurde inzwischen aufgehoben, was dem Apfelanbau unter Solarmodulen den Weg ebnet. Auch die Regelung, dass nur der genaue Flächenverlust von den EU-Direktzahlungen abgezogen wird (statt pauschal 15% bei hoch aufgeständerten Anlagen), ist ein Fortschritt.

  • Regionale Initiativen: Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen stärken die Solarenergie mit eigenen Förderprogrammen für Agri- und Floating-PV.

  • Potenzialstudien: Studien des Öko-Instituts schätzen das theoretische Flächenpotenzial für Agri-PV in Deutschland auf bis zu 4,3 Millionen Hektar, was deutlich macht, dass diese Technologie einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten könnte, ohne die Nahrungsmittelproduktion zu gefährden.

 

Kann das alles auch finanziert werden?

 

Ja, die Finanzierung von Agri-PV-Anlagen ist grundsätzlich möglich und wird zunehmend attraktiver:

  1. EEG-Förderung: Die bereits erwähnte höhere Einspeisevergütung für Agri-PV-Anlagen durch das EEG ist der wichtigste finanzielle Anreiz. Sie sorgt für eine verlässliche und kalkulierbare Einnahmequelle über 20 Jahre.

  2. Direktzahlungen der GAP: Für die landwirtschaftlich genutzte Fläche unter den Modulen können weiterhin die Direktzahlungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU beansprucht werden, solange die landwirtschaftliche Nutzung weiterhin dominant ist (mindestens 85% der Fläche nutzbar). Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Wirtschaftlichkeit.

  3. Pachtmodelle: Es gibt Modelle, bei denen Solarentwicklungsfirmen die Flächen von Landwirten pachten, die Agri-PV-Anlage errichten und betreiben und dem Landwirt eine feste Pacht sowie gegebenenfalls eine Beteiligung am Stromerlös zahlen. Das senkt das finanzielle Risiko für den Landwirt erheblich.

  4. Kreditfinanzierung: Banken und Finanzinstitute sehen Agri-PV-Projekte zunehmend als attraktive Investitionen an, da sie durch die Doppelernten und die EEG-Vergütung stabile Cashflows versprechen.

  5. Eigenkapital und Investoren: Landwirte können Eigenkapital einbringen oder sich an Investorengruppen beteiligen. Auch hier gibt es wachsendes Interesse von institutionellen und privaten Anlegern, die in nachhaltige Infrastruktur investieren möchten.

  6. Regionale Förderprogramme: Einige Bundesländer bieten spezifische Förderprogramme für Agri-PV-Anlagen an, die zusätzliche Zuschüsse ermöglichen können.

Kosten und Rentabilität: Die Investitionskosten für Agri-PV-Anlagen sind aufgrund der aufwendigeren Unterkonstruktionen (höhere Aufständerung, spezielle Module) höher als bei klassischen Freiflächenanlagen. Agrarheute beziffert die Kosten für eine vertikale, bodennahe Anlage auf 700 bis 800 Euro/kWp, hoch aufgeständerte Anlagen sind tendenziell teurer (rund 1.000 Euro/kWp). Durch die doppelten Einnahmen aus Landwirtschaft und Stromproduktion sowie die spezifische EEG-Förderung können sich Agri-PV-Anlagen jedoch gut rechnen.

Der Schulterschluss zwischen Solar und Bauern im Bereich der Agri-Photovoltaik ist ein vielversprechender Weg für die Energiewende und die Landwirtschaft gleichermaßen. Projekte wie "Äpfel unter Solarmodulen" zeigen nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch die vielfältigen Synergieeffekte und ökonomischen Vorteile. Obwohl es noch Forschungsbedarf und Herausforderungen bei Genehmigung und Standardisierung gibt, nimmt der Ausbau durch verbesserte politische Rahmenbedingungen und steigendes Investoreninteresse Fahrt auf. Die Finanzierung ist dank der etablierten Fördermechanismen und der zunehmenden Attraktivität für private und institutionelle Anleger grundsätzlich gesichert. Agri-PV hat das Potenzial, einen signifikanten Beitrag zur nachhaltigen Landnutzung und zur Energieversorgung der Zukunft zu leisten.

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